Simson - Das sind über 100 Jahre Fahrzeugbau in Suhl



Ursprungsstätte des bekannten Simson - Werkes in Suhl in Thüringen ist ein sogenannter "Stahlhammer", der bereits Mitte des 18.Jh das im Suhler Raum gewonnene Erz geschmolzen und zu Stahlblöcken und Stangen schmiedete. Dies war das Ausgangsprodukt für die Herstellung von Werkzeugen und Waffen durch Suhler Handwerksbetriebe. Im Jahre 1856 kauften die Gebrüder Simson diesen Stahlhammer und es kam zur Gründung der Firma Simson. Waren anfangs Stich- und Feuerwaffen die Hauptproduktion dieser Firma, so kam es 1896 - also vor über 100 Jahren - zur Produktionsaufnahme von luftbereiften Fahrrädern und im Jahre 1908 wurde der erste PKW mit 4-Zylindermotor gebaut. 1912 beschäftigte die Firma Simson bereits 1500 Arbeiter.

Der erste Weltkrieg sorgte für ein weiteres rasches Wachstum der Firma. 1924 kam es zum Serienanlauf der PKW - Modellreihe Simson - Supra, deren Fertigstellung aber 1934 wegen eines starken Rückganges der Produktion und Unwirtschaftlichkeit - eine Folge der damaligen Wirtschaftskrise - eingestellt wurde. Nach der Machtübernahme Hitlers setzte die Judenverfolgung ein und im Rahmen des sogenannten "Simson - Prozesses" wurde der jüdische Besitzer Simson enteignet und ein Treuhänder eingesetzt. In der Folge entstanden nach Angliederung weiterer Werke die "Berlin - Suhler - Waffen- und Fahrzeugwerke" (BSW). 1936 lief im Suhler Werk das erste motorisierte Zweirad - die BSW 100 - vom Montageband. Diese steuer- und führerscheinfreie Fahrzeug galt als Motorfahrrad. Als Triebwerk wurde ein 96 cm³ - Sachs-Motor mit 2,25 PS und handgeschaltetem Zweiganggetriebe eingebaut.

Doch mit Beginn des zweiten Weltkrieges hatte die Waffenproduktion Vorrang und die gesamte Friedensproduktion musste eingestellt werden. Die entscheidenste Folge nach Kriegsende war die Demontage der Maschinen und Einrichtungen sowie die teilweise Zerstörung des als Rüstungsbetrieb eingestuften Werkes. Der verbleibende Rest wurde der sowjetische Militäradministration unterstellt und Zug um Zug erfolgte die Produktionsaufnahme von Jagdwaffen, Kinderwaren und Fahrrädern.

1947 wurde das Werk in die sowjetische "SAG AWTOWELO" eingegliedert. Unter militärisch straffer Führung ging es wieder aufwärts und 1947 wurde der Befehl zur Entwicklung und Produktion eines 250 cm³ - Viertaktmotorrades erteilt. 1950 lief bereits die 1000. AWO vom Band und 1955 folgte die AWO - Sport. 1952 gab die Sowjetunion das Werk der DDR zurück und ab diesem Zeitpunkt führten die Motorräder die Typbezeichnungen Simson 425 bzw. Simson 425 S. Dem internationalen Entwicklungsstand folgend konnte im Simson - Werk bereits im Mai 1955 das erste Moped SR 1 in der Serienfertigung produziert werden. Der 50 cm³ - Motor hierfür wurde im Motorradwerk Zschopau (MZ) entwickelt und im Büromaschinenwerk Sömmerda gefertigt. Eine echte Gemeinschaftsarbeit von drei volkseigenen Betrieben. Um den sprunghaft ansteigenden Bedarf für dieses moderne Moped besser befriedigen zu können, wurde von "oben" die Einstellung der Motorradproduktion befohlen. Bis Ende 1961 waren 124000 Simson 425 und 85000 Simson 425S ausgeliefert worden.

Ab diesem Zeitpunkt wurden in der DDR Motorräder nur noch bei MZ produziert. Dem Moped SR 1 folgten die Weiterentwicklungen SR 2 und SR 2E und ab 1958 die Neuentwicklung des Kleinrollers KR 50, dem Vorgänger der legendären Schwalbe. Von diesem Modellen wurden jährlich ca. 180000 Stück produziert. Dem Wunsch der Kunden nach verbessertem Fahrkomfort und vor allem nach Zweisitzigkeit wurde 1964 mit dem Serienanlauf des Kleinrollers KR 51 "Schwalbe" entsprochen. In der Entwicklungsphase der Schwalbe war aber gleichzeitig größter Wert auf die Schaffung eines sogenannten Baukastensystems gelegt worden, denn neben dem Roller mussten ja auch neue Mokick-Modelle zum Serienanlauf kommen. So gelang es, ein sehr variables Triebwerk zu konzipieren, das wahlweise mit 2,3 und 4 Getriebegängen, mit variabler Leistung von 2,3 bis 4,6 PS, mit Gebläse- oder Fahrtwindkühlung und mit Hand- oder Fußschaltung angeboten werden konnte. Fahrzeugseitig konnte ein hoher Gleichheitsgrad (Laufräder, Antrieb, Bremsen, Federungelemente , Elektrikbauteile u.a.) erreicht werden, so dass eine rationelle Fertigungstechnik ermöglicht wurde.

Auf dieser Basis konnte bereits kurz nach dem Schwalbe-Serienanlauf im Frühsommer 1964 das Moped SR 4-1 "Spatz" und das Mokick SR 4-2 "Star" in Serie gehen. Nachdem 1966 noch der Typ SR 4-3 "Sperber" und 1972 das Modell SR 4-4 "Habicht" hinzukamen, war die Vogelserie komplett. Diese Modelle erfreuten sich im In- und Ausland einer regen Nachfrage und trotz stetiger Stückzahlsteigerung konnte der Bedarf nie voll gedeckt werden. 1968 erfolgt der Zusammenschluss von Simson mit dem "VEB Ernst-Thälmann-Werk Suhl" zum "VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Ernst Thälmann Suhl". Trotz dieses Erfolges stand die Entwicklung nicht still. Die Triebwerkleistung wurde verbessert bei gleichzeitiger Verbrauchsreduzierung und 1971 konnte die Schwalbe mit automatischer Anfahrkupplung angeboten werden.

Von 1970 bis 1972 gab das Mofa SL 1 bzw. SL 1S einen nur kurzen Einstand. Die Produktionseinstellung erfolgte wegen mangelnder Nachfrage. Zur Herbstmesse 1974 in Leipzig stellte Simson das Sportliche Mokick S 50 in verschiedenen Ausstattungsvarianten vor. Es wurde zum absoluten Renner bei der Jugend. Im Jahre 1980 gingen die Mokickmodelle S 51 sowie Schwalbe-Typen mit einem wesentlich sparsameren und gleichzeitig leistungsstärkerem neuem Triebwerk (M 531/541) in Serie. Durch die mögliche Hubraumvergrößerung wurde das Leichtkraftrad S 70 in das Sortiment aufgenommen.

Anfang 1986 konnte endlich der seit 22 Jahren mit weit über 1 Million Stück produzierte Kleinroller Schwalbe durch die neue Rollergeneration SR 50/ SR 80 abgelöst werden. In der Folge wurde Detailverbesserungen, wie 12V-Bordspannung, Halogenlicht, Moderne elektronische Bauelemente und anderes typenabhängig serienwirksam. Bei maximaler Auslastung der Produktionseinrichtungen wurden jährlich annähernd 200000 Fahrzeuge bei einem sehr hohen Eigenfertigungsanteil von den im Suhler Werk beschäftigten ca. 4000 Mitarbeitern hergestellt.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der Währungsunion stand das Suhler Werk unter Treuhandverwaltung. Der Absatz reduzierte sich dramatisch, da für viele Kunden jetzt das Auto an erster stand und die sogenannten Westprodukte auf dem Zweiradsektor bevorzugt wurden. Die Hauptabsatzmärkte im Osten entfielen aus Währungsgründen. Die Liquidation wurde im März 1991 eingeleitet und der 31.12.1991 war der letzte Arbeitstag der bereits stark reduzierten Belegschaft.

Seit Beginn der Fahrzeugfertigung im Jahre 1950 liefen im Suhler Werk fast 6 Millionen Motorräder, Mopeds, Mokicks, Mofas und Kleinroller von den Montagebändern. Doch schon zu Jahresbeginn 1992 nahm die von ehemaligen Mitarbeitern des Werkes gegründete "Suhler Fahrzeugwerk GmbH" mit einer relativ kleinen Belegschaft wieder die Produktion des S 53 (Weiterentwicklung des S 51), des Kleinrollers SR 50/1 und des Lastendreirads SD 50 LT auf. Durch zielgerichtete Weiterentwicklung und teilweise gestalterische Überarbeitung entstand ab 1994 die Fahrzeugpalette mit den Typenzeichen alpha, beta, gamma, ab 1996 aber wieder mit den traditionsreichen Vogelnamen Habicht, Sperber und Star versehen. Gamma E war ein Modell, dass mit Elektroantrieb lief. Im März 1996 - zum 100. Jahrestag der Fahrzeugfertigung im Suhler-Werk - erfolgte der Fertigunganlauf des neuen Kleinrollers "Star 50" , Ausgestattet mit Getriebeautomatik und Katalysator. 1997 wurde unter der "Simson Zweirad GmbH" das Leichtkraftrad Schirka 125 entwickelt, welches 1998 auf den Markt kam. Die Weiterentwicklung zur Schirka 125 S (Sport) wurde im Jahre 2000 Marktreif. Am 28.06.2002 meldet die “Simson Motorrad GmbH & Co.KG” Insolvenz an. Dies war das endgültige Aus für die lange Tradition der Fahrzeugherstellung in Suhl unter dem Namen Simson.